Marktplatz mit Urbrecker

Die eine Hälfte des Marktplatzes ist ein Parkplatz, die andere lädt zum Verweilen ein: Rund um den "Urbrecker", der seit 1999 umrahmt von einem Brunnen, in der Mitte des Platzes steht, sind viele Bänke.

 

In Wietmarschen arbeiteten "Urbrecker", sie „ernteten“ Steine, in denen Raseneisenerz war. Diese wurden auf dem Schlackenbölt in der Alexishüte geschmolzen. Der Urbrecker blickt noch heute in die Richtung zum Schlackenbölt.

 

In den 30er, 40er und 50er Jahren des letzten Jahrhunderts kamen 2 Mal im Jahr viele Menschen auf den Platz. Das Pontifikalamt der Wallfahrt, es gab eine Männer- und eine Frauenwallfahrt, wurde hier, vor dem Haus Terhaar, gefeiert.

 

In der heutigen Zeit wird der Marktplatz unter anderem von der Werbegemeinschaft Wietmarschen für den Urbreckermarkt, die Dorfkirmes und den Weihnachtsmarkt genutzt.

 

Rund um den Marktplatz gibt es viele Einkehrmöglichkeiten, ein Café, einen Imbiss, eine Pizzeria und eine Gaststätte.

 

Im Rahmen der Ortsumgestaltung im Wallfahrtsort wurde in den letzten Jahren der Marktplatz neu gestaltet. Ebenso entstanden in den letzten etwa 15 Jahren neue Gebäude direkt am Marktplatz und somit hat Wietmarschen ein neues Gesicht erhalten. Weitere Umbauten und Neubauten sind geplant.

Eine Besonderheit stellt jedoch der "Urbrecker" mit einem schönen Brunnen und mehreren Sitzmöglichkeiten dar. Diesen Platz nutzen Einheimische ebenso wie Besucherinnen und Besucher, um zu Verweilen. Der Urbrecker gehört zur Geschichte Wietmarschens und wird unten näher beschrieben.

 


Vom Eisenerz, der Alexia-Eisen-Hütte und dem Urbrecker

Von 1854 bis 1874 gab es im Süden vom Stift Wietmarschen (heute Schlackenbölt) die Alexis-Eisen-Hütte, die nach ihrem wichtigsten Aktionär, dem Fürsten Alexis zu Bentheim und Steinfurt, benannt war. Bis zur Schließung war diese Eisenerzhütte der größte Industriebetrieb und Arbeitgeber in der Grafschaft. Sie stellte aus dem von heimischen Arbeitern gebrochenen Rasenerz der sumpfigen Wiesen Gußeisen her. Es wurde als Stabeisen in das Ruhrgebiet geliefert oder zu Gußwaren verarbeitet. Thüringische Fachleute stellten die Sandformen her, in denen auf Bestellung vom einfachen Fensterrahmen über reich geschmückte Töpfe bis zu Monogramm-verzierten Herdplatten alles gegossen wurde.

 

In der 250 x 200 Meter großen Hüttenanlage wurden Dampfmaschinen und Hochöfen mit Torf und Holz geheizt und der zur Schmelze nötige Kalkstein wurde aus Rheine geholt. In ihrem besten Jahr 1857 waren 160 Arbeiter beschäftigt, die 12.813 Tonnen Rasenerz brachen und daraus 1.709 Tonnen schmuckvolle Gußwaren und 3.607 Tonnen Stabeisen produzierten. Neben alteingesessenen Wietmarschern arbeiteten in der Hütte vor allem fachkundige Wanderarbeiter, Hüttenarbeiter, Schmiede und Formenmacher, die aus stillgelegten Hütten im Harz in die Grafschaft gekommen waren.

 

Mitarbeiterstatistik im Jahr 1857:

 

161 Mitarbeiter, davon 

   6 Beamte

 23 in den Werkstätten

 30 bei Erzgewinnung ("Urbrecker")

 40 bei der Herstellung von Holzkohle

 60 bei Roheisenerzeugung

 

1859: vermutlich 100 Mitarbeiter

1868: Rückgang auf 70 Mitarbeiter

 

1859 - 1863: 

242 Einstellungen, zur Hälfte Arbeiter

(Hüttenarbeiter, Arbeiter, Handarbeiter, Fabrikarbeiter, Tagelöhner) viele zur Raseneisen-Gewinnung eingesetzt ("Urbrecker"), andere Hälfte Handwerker (Schlosser, Schmiede, Tischler, Maurer, Metalldreher, Sandformer, Lehmformer etc.)

 

Alter der Arbeiter:

50,3 % unter 25 Jahre

70,1 % unter 35 Jahre

 

Trotz aller Mühe wurden bei den hohen Transportkosten auf schlechten Wegen zur 16 km entfernten Bahn in Lingen keine Gewinne erzielt. 1870 legte ein neuer Besitzer, die Firma S. Elkan & Co. in Hamburg, deshalb eine 90 cm breite "Pferdebahn" nach Elbergen bei Lingen an, aber die seit 1872 fallenden Preise für Eisen machten den Hüttenbetrieb unrentabel. Nach dem Bau der Kanäle links der Ems wurde der Transport per Schiff billiger und Rasenerz wurde von Elkan & Co. und der heimischen Firma Brinkers über den Nord-Süd-Kanal zur Reinigung von Stadtgas und zur Gewinnung von Farbe ins Ruhrgebiet verschifft.

 

Aus den Raseneisenerzbrocken wurde durch die alten Meister mit viel Handarbeit, Schweiß und Holzfeuer in den sogenannten "Rennöfen" das Erz gewonnen. Diese hießen deshalb so, weil aus dem Raseneisenerz bei der Erhitzung und Bearbeitung das Eisen heraus rann. Diese Arbeit war sehr schwer und Eisen deshalb für unsere Vorfahren ein kostbarer Schatz. Gegenstände aus Eisen (z.B. Angelhaken, Hacken und vor allem Sägen und Beile) wurden über Generationen vererbt.

 

Die Bergung des Raseneisensteins erfolgt auf manuelle Art und Weise. Der Aufwand an manueller Arbeit zur Materialbergung ist standortabhängig und stellt das wichtigste bzw. primäre Element der Materialbereitstellung dar. Das Raseneisenerz (auch benannt als Sumpferz, Wiesenerz) war meist unreines, dunkelbraunes bis schwarzes, amorphes Eisenerz (Brauneisen) und oft manganhaltig. Zwischen Nordhorn und Lohne, Engden und Wietmarschen wurde auf einer Fläche von 27.000 Morgen das Eisenerz abgebaut, wobei der Anteil der Flächen mit Raseneisenerz mindestens 700 Morgen betrug.

 

Mitarbeiterstatistik im Jahr 1857:

 

Beschäftigungsdauer: 
hohe Fluktuation (für über 115 Personen, keine Verlängerung der Arbeitserlaubnis nach 1 Jahr), temporäre Beschäftigung für wenige Monate; Heimaturlaub war möglich.


Herkunft: 
nicht zweifelsfrei zu identifizieren, da bei 5 % kein Geburtsort angegeben ist, aber folgende Verhältnisse sind zu vermuten:

14,2 % Wietmarscher

22,8 % Grafschafter (besonders aus Neuenhaus)

63,0 % außerhalb (Raum Erfurt, ...) Wanderarbeiter, die aus stillgelegten Hütten im Harz in die Grafschaft gekommen waren


Unterbringung:

Die Mehrzahl der Auswärtigen schlief "auf der Hütte", vermutlich in Gemeinschaftsquartieren. Arbeiter aus umliegenden Dörfern nahmen teils 12 km lange Wege in Kauf, um täglich zur Hütte zu kommen (jedoch nur ein geringer Teil; 1859 - 1861: 18 von 185 Männern)

 

zum Vergleich:

Textilfabriken in Nordhorn

1850: van Delden 27 Mitarbeiter

1872: van Delden 78 Mitarbeiter oder Stroink 58 Mitarbeiter

 

Erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde der Erz-Abbau in der Wietmarscher Feldmark endgültig eingestellt. "Der Urbrecker" auf dem Marktplatz in Wietmarschen soll als Symbolgestalt an die Rasenerzförderung im Raum Wietmarschen erinnern. Die Gestaltung erfolgte durch den Künstler Dirk de Keyzer, Gent (Belgien). Gestiftet wurde sie von der Sparkassenstiftung für die Grafschaft Bentheim und anlässlich der Einweihung des neuen Marktplatzes in Wietmarschen am 28.08.1999 aufgestellt.